Pestizide und Erdöl

Pestizide und Erdöl als unverzichtbare Stützen unserer Landwirtschaft?

Die Bauernlobby droht: ohne Pestizide ein Drittel weniger Erträge. Das in Auftrag gegebene Gutachten rechnet vor: statt 60 Prozent Selbstversorgung hätten wir nach Annahme der Pestizidinitiative nur noch 42 Prozent „Schweizer Lebensmittel“. Doch was sind Schweizer Lebensmittel? Und was heisst es, von der Landwirtschaft Nachhaltigkeit zu fordern?

Inländische Nahrungsmittel sind unter den heute vorherrschenden Bedingungen nur mit dem Einkauf von Erdöl (Treibstoff und Dünger), dem Einsatz von chemischen Hilfsstoffen und dem Import von Futtermitteln produzierbar – alles aus dem Ausland oder der Fabrik stammend. Die biologische Anbauweise steht etwas besser da, ist aber dem gleichen Leistungsdruck ausgesetzt. Die in den eingekauften Stoffen enthaltene Energie entspricht einer weit grösseren Kalorienmenge als die Summe sämtlicher Nahrungskalorien, die in den von uns verspeisten „schweizerischen“ Kartoffeln, Salaten, im Brot, Rapsöl, Zucker oder dem Käse und den Steaks enthalten sind. Das heisst nichts anderes, als dass unsere Landwirtschaft ein energetisches Defizitgeschäft betreibt. Die tatsächliche Selbstversorgung der Schweiz ist deshalb gleich null Prozent – Zero-Landwirtschaft. Und alles erst noch unter Schädigung der Böden und der Biodiversität, wo doch Nahrungsmittel dank „gratis“ zugestelltem Sonnenlicht und Fotosynthese auch einfach so wachsen könnten, ohne fossile Energiedüngung.

Den einzelnen Landwirt trifft keine Schuld. Er muss in erster Linie machen, was rentiert, nicht was dem Boden, dem Grundwasser, der Landschaft gut tut. Doch die Politik müsste endlich einsehen, dass eine solche Verschleisswirtschaft nicht länger haltbar ist. Anstatt also über Pestizidmengen zu streiten, sollte jetzt darüber nachgedacht werden, wie man aus der ganzen Chemie- und Erdölfalle herauskommt! Wie beim Klima – bevor es zu spät ist.

Bestimmt braucht es wieder mehr Arbeitskräfte für eine nachhaltige Landwirtschaft, tierische und menschliche. Und natürlich sind weiterhin kluge mechanische Geräte gefragt, denn anstelle monotoner Zuckerrübenfelder (im Unterschied zu Futtermitteln wäre der Import von Zucker sinnvoll) und weiter Maisfluren liesse sich sehr viel wertvolle Nahrung für den direkten menschlichen Verzehr anbauen. Noch wichtiger als die schwierig zu lösende Arbeitsfrage ist eine klare Vorstellung darüber, was die primäre Erzeugung von Lebensmitteln überhaupt bedeutet. Doch im Grunde dürfte eine kopernikanische Wende im agrarischen Denken gar nicht so schwer fallen: Statt aus dem ökonomischen Blickwinkel, schaut man die Landwirtschaft einfach von der Naturseite her an. Denn es ist die Biologie des Bodens (einschliesslich der darauf gedeihenden Ökosysteme), die eine nachhaltige Bewirtschaftung bestimmt. Eine Landwirtschaft hingegen, die von vorgestellten Märkten und Profitstreben gelenkt wird und weiter auf die tragenden Säulen Erdöl und Chemie setzt, führt uns nur tiefer in die Sackgasse.

JW

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